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Gerichtliche Klagen gegen einen faktischen Geschäftsführer
von Dr. Lukas Fantur | 20. Juni 2012
Ein faktischer Geschäftsführer ist vor dem allgemeinen Gericht, nicht vor dem Handelsgericht zu verklagen.
Vertretung der GmbH durch Geschäftsführer
Die gesetzliche Regelung für die Vertretung einer GmbH findet sich in § 18 Abs 1 GmbHG, wonach die Gesellschaft „durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird.
Die Geschäftsführer erlangen ihre körperschaftsrechtliche Funktion als vertretungsbefugte Organe durch ihre Bestellung, die entweder
- durch Beschluss der Gesellschafter oder
- wenn Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt werden im Gesellschaftsvertrag
erfolgen kann. Ihre Eintragung im Firmenbuch hat nur deklarative Bedeutung.
Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist ausschließlich; der einzelne Gesellschafter ist bloß aufgrund dieser Eigenschaft, also ohne zum Geschäftsführer bestellt oder bevollmächtigt zu sein, zur Vertretung der Gesellschaft – von Sonderkompetenzen abgesehen – nicht befugt.
Faktischer Geschäftsführer
Demgegenüber hat die Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“ in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor allem im Zusammenhang mit der Frage der deliktischen Haftung für seine Handlungen und Unterlassungen Bedeutung erlangt (Haftung für Konkursverschleppung, Haftung gemäß § 25 GmbHG, strafrechtliche Verantwortlichkeit).
Definition des faktischen Geschäftsführers
Der „faktische Geschäftsführer“ wird zumeist als Person definiert, die das Unternehmen leitet, ohne wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der „faktische Geschäftsführer“ gleichzeitig auch Gesellschafter ist.
Als Beispiel für einen „faktischen Geschäftsführer“ wird häufig der Fall genannt, dass die eigentlich bestellten Geschäftsführer als Strohmänner ihre Organfunktionen nicht ausüben und stattdessen ein anderer (meist ein Mehrheitsgesellschafter) die Gesellschaft tatsächlich leitet, wobei zumeist auch ein nach außen erkennbares Gerieren wie ein Geschäftsführer als erforderlich erachtet wird.
Gerichtsstand für Klagen gegen einen faktischen Geschäftsführer
Damit zeichnet sich der gesetzlich nicht näher determinierte Begriff des faktischen Geschäftsführers durch ein vielschichtiges, rechtlich keineswegs exakt umrissenes Verständnis aus.
In Hinblick auf die von der neueren Rechtsprechung betonten deutlichen Unterschiede zwischen dem faktischen Geschäftsführer und organschaftlichen Vertretern erscheint eine erweiternde Auslegung des § 51 Z 6 JN (= Zuständigkeit der Handelsgerichte für gesellschaftsrechtliche Streitsachen) dahin, dass diese Bestimmung auch den faktischen Geschäftsführer umfasst, nicht möglich.
Eine andere Auslegung würde die Klärung der Zuständigkeit mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten belasten. Ein derartiges Verständnis wäre der Rechtssicherheit nicht förderlich, soll doch die Zuständigkeit des Gerichts möglichst einfach und klar umrissen sein.
Quelle: Oberster Gerichtshof 14.09.2011, 6 Ob202/11s, GES 2012, 80
Über mich – Rechtsanwalt GmbH-Recht
Ich bin Rechtsanwalt in Wien und Herausgeber der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht. Langjähriger hauptsächlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das GmbH-Recht, insbesondere die Beratung und Vertretung im Gesellschafterstreit.
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