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Verschmelzung mit Auslandsbezug und Verbot der Einlagenrückgewähr
von Dr. Lukas Fantur | 6. September 2010
- EU-Verschmelzungsgesetz – Anwendbares Recht
- Verbot der Einlagenrückgewähr
- Wirtschaftliche Betrachtung
- Verschmelzung ohne Anteilsgewährung
- Mittelbare Beteiligungsidentität
- Vericht auf Anteilsgewährung
- Österreichbezug
- Nationales Recht maßgebend
- Anlassfall
- Kein ausreichender Österreichbezug im vorliegenden Fall
- Quintessenz
- Über mich
- Kommentare (2)
Das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 224 AktG) ist (auf Verschmelzungen) nur anzuwenden, sofern ein gewisser „Österreichbezug“ besteht. Das hat der Oberste Gerichtshof entschieden.
Ein derartiger Österreichbezug besteht jedenfalls dann nicht, wenn die Alleingesellschafterin der übertragenden Gesellschaft zwar eine ausländische Gesellschaft ist, deren Anteile jedoch von einer österreichischen Holding gehalten werden, die gleichzeitig auch – wenn auch im Wege der Zwischenschaltung einer weiteren Tochtergesellschaft – alle Anteile an der übernehmenden Gesellschaft hält.
EU-Verschmelzungsgesetz – Anwendbares Recht
Das mit 15.12.2007 in Kraft getretene EU-Verschmelzungsgesetz (EU-VerschG) ist auf die Verschmelzung einer österreichischen Gesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft, die dem Recht eines anderen EU/EWR Mitgliedstaats unterliegt, anzuwenden. Da sowohl die übertragende als auch die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz in Österreich haben, gelangt ausschließlich nationales Verschmelzungsrecht zur Anwendung.
Der Umstand, dass die Alleingesellschafterin der übertragenden Gesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hat, ist somit ohne Einfluss auf die grundsätzliche Anwendbarkeit österreichischen Rechts.
Verbot der Einlagenrückgewähr
Aktionäre/Gesellschafter haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit dieser nicht durch Gesetz oder Satzung/Gesellschaftsvertrag von der Verteilung ausgeschlossen ist (Verbot der Einlagenrückgewähr).
Das Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst grundsätzlich jede vermögensmindernde Leistung der AG oder GmbH an ihre Aktionäre/Gesellschafter, ausgenommen solche in Erfüllung
- des Dividendenanspruchs,
- sonstiger gesetzlich zugelassener Ausnahmefälle sowie
- Leistungen auf der Grundlage fremdüblicher Austauschgeschäfte.
Steht dabei die Leistung der AG/GmbH und die Gegenleistung des Aktionärs/Gesellschafters in einem objektiven Missverhältnis, so ist das konkrete Geschäft nichtig.
Wirtschaftliche Betrachtung
Das Verbot der Einlagenrückgewähr ist wirtschaftlich zu betrachten. Es verbietet jede Leistung der Gesellschaft an den Aktionär/Gesellschafter, die nicht als Gewinn ausgewiesen ist und die eine Vermögenseinbuße, dh eine Minderung der Erwerbsaussichten oder eine Vermehrung der Risken der Gesellschaft bewirkt.
Verschmelzung ohne Anteilsgewährung
Nach dem Aktiengesetz (§ 224 Abs 2 Z 1) könnte bei unmittelbarer identer Beteiligung an übertragender und übernehmender Gesellschaft fakultativ von einer Anteilsgewährung abgesehen werden.
Mittelbare Beteiligungsidentität
Bei bloß mittelbarer Beteiligungsidentität kann die Verschmelzung jedoch zu einer verbotenen Einlagenrückgewähr führen, die durch den konzernrechtlichen Zusammenhang als solchen nicht gerechtfertigt ist.
Im vorliegenden Fall ist die Großmuttergesellschaft an ihren beiden Tochtergesellschaften zu je 100 % beteiligt, welche wiederum je 100 % der Anteile an der übertragenden bzw übernehmenden Enkelgesellschaft halten.
Bei dieser Konstellation erleidet die Tochtergesellschaft, die vor der Verschmelzung die Beteiligung an der übertragenden Enkelgesellschaft gehalten hat, mangels Gegenleistung eine kompensationslose Vermögenseinbuße, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt.
Aus Sicht der Gläubiger der schweizer Muttergesellschaft der übertragenden Gesellschaft würde deren verschmelzungsbedingter Wertverlust ihre Kapitalgrundlage aushöhlen. Soll eine Kapitalerhöhung dennoch unterbleiben, kann ein entsprechender Ausgleich durch Ausschüttung freier Rücklagen, Gesellschafterzuschuss oder durch eine vorausgehende ordentliche Kapitalherabsetzung bei der Tochtergesellschaft der „weggeschmolzenen“ Enkelgesellschaft herbeigeführt werden.
Vericht auf Anteilsgewährung
Gemäß § 224 Abs 2 Z 2 AktG kann eine Anteilsgewährung ferner dann unterbleiben, wenn die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft (formlos) darauf verzichten. Das Unterbleiben einer Anteilsgewährung ist auch in diesem Fall aber nur zulässig, wenn damit nicht gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr oder der Befreiung von Einlageverpflichtungen verstoßen wird.
Österreichbezug
§ 224 Abs 2 AktG kann aber nicht als genereller Verweis auf österreichisches Kapitalerhaltungsrecht verstanden werden.
Voraussetzung der Anwendung der in § 224 Abs 2 AktG enthaltenen Einschränkung, dass das Unterbleiben der Gewährung von Aktien (Z 1) oder der Verzicht der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft auf die Gewährung von Aktien nicht das Verbot der Einlagenrückgewähr verletzen darf, ist vielmehr nach hA das Vorliegen eines „Österreichbezugs“.
Nationales Recht maßgebend
Grundsätzlich ist es nämlich ausschließlich Sache des auf die übertragende Kapitalgesellschaft jeweils anwendbaren nationalen Rechts, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die Gewährung einer Beteiligung an der übernehmenden österreichischen Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter der untergehenden Gesellschaft unterbleiben kann.
Anlassfall
Im vorliegenden Fall besteht ein „Österreichbezug“ der schweizerischen Alleingesellschafterin der überragenden Gesellschaft nämlich nur insoweit, als deren Anteile von einer GmbH gehalten werden, die jedoch die Großmutter der an der Verschmelzung unmittelbar beteiligten („Enkel“-)Gesellschaften, sodass es zu deren Schutz und zum Schutz deren Gläubiger keiner Einschränkung der Verschmelzung bedarf, erweist sich doch der den Gegenstand der Anmeldung bildende Verschmelzungsvorgang in Ansehung der Großmuttergesellschaft als vermögensneutral.
Der Schutz der Gläubiger der Alleingesellschafterin der übertragenden Gesellschaft wäre demgegenüber primär Angelegenheit des Schweizer Rechts. Dies führt auch zu keinem Rechtsschutzdefizit für allfällige Gläubiger der Schweizer Muttergesellschaft, konnten doch mit dieser kontrahierende Gläubiger von vornherein nur auf Schutz durch das Schweizer Recht und nicht auch durch eine andere Rechtsordnung vertrauen.
Kein ausreichender Österreichbezug im vorliegenden Fall
Eine Verschmelzung österreichischer Gesellschaften richtet sich zwar nach österreichischem Sachrecht. Das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 224 Abs 2 AktG) ist jedoch nur anzuwenden, sofern ein gewisser „Österreichbezug“ besteht.
Quintessenz
Ein derartiger Österreichbezug besteht jedenfalls dann nicht, wenn
- die Alleingesellschafterin der übertragenden Gesellschaft zwar eine Schweizer Gesellschaft ist,
- deren Anteile jedoch von einer österreichischen Holding gehalten werden, die
- gleichzeitig auch – wenn auch im Wege der Zwischenschaltung einer weiteren (Tochter-)Gesellschaft – alle Anteile an der übernehmenden Gesellschaft hält.
Insoweit erweist sich der Vorgang unter dem Aspekt der Gläubigerschutzregelungen des österreichischen Rechts als neutral.
Quelle: OGH 15.04.2010, 6 Ob 226/09t (GES 2010, 123)
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien und (Mit-)Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (GES). Als Rechtsanwalt in Wien beschäftige ich mich schwerpunktmäßig mit dem Gesellschaftsrecht.
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Themen: Aktiengesellschaft, Einlagenrückgewähr - verdeckte Gewinnausschüttung, Umgründungen | 2 Kommentare »
17. Oktober 2010 um 13:17
Dazu Entscheidungsanmerkung von Winner/Obradovic, GesRZ 2010, 280
18. März 2011 um 09:26
Fachliteratur dazu: Aburumieh/Foglar-Deinhardstein, Internationale Umstrukturierungen – Einlagenrückgewähr, Firmenbuchverfahren, Kapitalentsperrung, GesRZ 2010, 328