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Abberufung eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft wegen grober Pflichtverletzung
von Dr. Lukas Fantur | 7. September 2012
Ein Vorstand, der private Interessen über das Unternehmenswohl stellt und deshalb den Abschluss eines ungünstigen Kredits der AG in Kauf nimmt, begeht eine grobe Pflichtverletzung. Auch mangelnde Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat zählt zu den groben Pflichtverletzungen, die zur Abberufung führen können.
Abberufung des Vorstandsmitglieds: Einzelfallbeurteilung
Im Anlassfall hatte das Vorstandmitglied der Aktiengesellschaft mehrfach bei einem ihm unterstellten Mitarbeiter interveniert, damit eine ganz bestimmte Bank den Zuschlag bei einem aufzunehmenden Kredit bekommen würde.
Grund für diese Vorgangsweise war, dass ihm seitens dieser Bank signalisiert worden war, dass diese auf ein Pönale wegen vorzeitiger Rückzahlung eines vom ihm aufgenommenen Privatkredits verzichten werde, wenn die Geschäftsbeziehungen zwischen den beklagten Parteien und der Bank so weitergehen würden wie bisher bzw ausgeweitet würden. Das Vorstandsmitglied setzte diesen Mitarbeiter deshalb unter Druck.
Schließlich erklärte er, dass der Mitarbeiter in der Kreditsache seinem Vorgesetzten gegenüber nicht alles erzählen dürfe, weil dieser alles „nach oben“ (gemeint: zum Aufsichtsratsvorsitzenden) weitergeben würde.
Verfolgung privater Interessen
In diesem Verhalten des Vorstandsmitglieds wurde eine grobe Pflichtverletzung erblickt.
Ihm sei vorzuwerfen, private Interessen über das Wohl des Unternehmens gestellt und die Pönaleproblematik gegenüber dem Aufsichtsrat nicht offengelegt zu haben.
Verpflichtung zur Offenheit gegenüber Aufsichtsrat
Das Vorstandsmitglied habe seine Position im Unternehmen der Aktiengesellschaft auch objektiv betrachtet für eigene persönliche Interessen missbraucht und seine Verpflichtung zur Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat verletzt.
Das Ausmaß des (drohenden) Schadens der Aktiengesellschaft sei dabei ebenso wenig maßgeblich wie der Grad seines Verschuldens oder die Beharrlichkeit seines verpönten Verhaltens, zumal nicht die Person unzumutbar sein müsse, sondern die Fortsetzung des Organverhältnisses.
Die Abberufung des Vorstands wegen grober Pflichtverletzung war deshalb rechtmäßig. Diese Entscheidung der Vorinstanzen wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt.
Quelle: OGH 24.05.2012, 6Ob83/12t
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien mit Tätigkeitsschwerpunkt Gesellschaftsrecht.
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Themen: Aktiengesellschaft | 1 Kommentar »
18. Dezember 2012 um 09:21
Dazu Welser I., Entscheidungsanmerkung, GesRZ 2012, 359