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Aufnahmezwang von Mitgliedern in einen Verein
von Dr. Lukas Fantur | 9. September 2010
Aufnahmezwang bei Monopolstellung
Wenngleich der Gesetzgeber dem Verein die grundsätzlich freie Befugnis eingeräumt hat, im Einzelnen zu bestimmen, mit welchen Mitgliedern er seine Ziele verfolgen will, besteht eine Verpflichtung zur Aufnahme selbst bei (teilweisem) Nichterfüllen der Aufnahmebedingungen, wenn die Rechtsordnung eine Berufung auf die Aufnahmebeschränkung gerade wegen der Monopolstellung des Vereins nicht hinnehmen kann und diese daher als nichtig oder nur eingeschränkt anwendbar ansieht.
Kontrahierungszwang
Es ist einem Monopolisten ganz allgemein verwehrt, seine
- faktische Übermacht
- in unsachlicher Weise
auszuüben.
Ausnahme: Sachlich gerechtfertigte Gründe
Eine Pflicht zum Vertragsabschluss besteht dann nicht, wenn der Unternehmer für die Weigerung sachlich gerechtfertigte Gründe ins Treffen führen kann.
Verein mit Monopolstellung
Einer der Anwendungsfälle des Kontrahierungszwangs im Sinne der Pflicht zum Vertragsabschluss ist die allfällige Pflicht zur Aufnahme eines neuen Mitglieds in einen bestehenden Verein.
In der Lehre wird ausgeführt, dass ein Verein mit besonderer Macht- oder gar Monopolstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich die Aufnahme nicht verweigern darf, wenn der Aufnahmewerber auf die Mitgliedschaft in besonderem Maße angewiesen ist.
Dies sei dann der Fall, wenn
- die ökonomische oder berufliche Existenz des Aufnahmewerbers von der Aufnahme in den Verein abhänge oder doch
- durch die Ablehnung der Aufnahme zumindest unzumutbar beeinträchtigt würde.
Kein Aufnahmezwang bestehe auch hier, wenn ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Verweigerung vorliege.
Abschlusszwang nur bei fehlenden Ausweichmöglichkeiten
Für die Annahme eines Aufnahmezwangs in einen Verein ist weiters der Gesichtspunkt des „fehlenden Ausweichenkönnens“ maßgeblich.
Kann sich der Interessent die ihm verweigerte Leistung in anderer Weise beschaffen, ist ein monopolartiger Charakter eines Vereins zu verneinen.
Nur wenn in sinnvoll erreichbarem Umfeld
- ein Verein mit gleichem oder ähnlichem Vereinszweck nicht besteht oder
- wenn besondere gesetzliche oder tatsächliche Gegebenheiten eine vereinsspezifische Tätigkeit außerhalb des betreffenden Vereins unmöglich machen oder
- nur unter wesentlicher Erschwerung zulassen,
ist ein Abschlusszwang zu bejahen.
Interessanabwägung
Um im Einzelfall beurteilen zu können, ob sachlich gerechtfertigte Gründe gegen die Aufnahme in einen Verein sprechen, sind
- die berechtigten Interessen des Aufnahmewerbers an der Mitgliedschaft den
- Interessen des Vereins an der Nichtaufnahme
gegenüberzustellen.
Quelle: OGH 13.10.2009, 1Ob125/09b
Rechtsanwalt für Vereinsrecht
Rechtsanwalt Dr. Lukas Fantur ist Spezialist im Vereinsrecht. Gerne berät und vertritt er Sie bei Streit im Verein.
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