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Anfechtung eines Abtretungsvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis)
von Dr. Lukas Fantur | 15. Juli 2023
- Welcher Zeitpunkt ist bei einer Option maßgeblich?
- Laesio enormis: Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
- Laesio enormis bei Option: Relevanter Zeitpunkt für Ermittlung des Wertverhältnisses
- Laesio enormis bei Option: Verjährung des Anfechtungsrechts
- Weitere mögliche Einwände neben laesio enormis
- Über mich
Zweiseitige Verträge, z.B ein Abtretungsvertrag über einen Gesellschaftsanteil, können hinterher wegen „Verkürzung über die Hälfte“ (laesio enormis) angefochten werden. Voraussetzung ist, dass der anfechtende Vertragspartner wertmäßig vom Gegenüber nicht einmal die Hälfte von dem erhalten hat, was seine eigene Leistung wert war.
Welcher Zeitpunkt ist bei einer Option maßgeblich?
Was gilt aber, wenn zunächst nur eine Option eingeräumt und diese erst zu einem spätern Zeitpunkt angenommen wurde? Für welchen Zeitpunkt ist das Wertverhältnis zu ermitteln?
Laesio enormis: Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass es auf den Zeitpunkt der Optionseinräumung ankommt.
Hier die wichtigsten Aussagen der OGH zusammengefasst:
Laesio enormis bei Option: Relevanter Zeitpunkt für Ermittlung des Wertverhältnisses
Für die Prüfung des Wertverhältnisses des im Optionsvertrag in Aussicht gestellten Hauptvertrags ist auf den Zeitpunkt der Bindung des Verkürzten an seine Erklärung abzustellen, mit der er dem Optionsberechtigten das Optionsrecht einräumt; bei Zusammenfallen von Angebot und Annahme ist daher der Zeitpunkt der Einräumung des Optionsrechts maßgeblich.
Laesio enormis bei Option: Verjährung des Anfechtungsrechts
Die (dreijährige) Verjährungsfrist für die Anfechtung des im Optionsvertrag in Aussicht genommenen Hauptvertrags wegen laesio enormis läuft mit ojektiver Möglichkeit der Geltendmachung.
Die Ungewissheit, ob und wann der Optionsberechtigte von seinem Optionsrecht Gebrauch macht, hat auf Beginn und Lauf der Verjährungsfrist keinen Einfluss.
Nach Ablauf der Frist kann auch keine Einrede mehr erhoben werden.
Weitere mögliche Einwände neben laesio enormis
Bei Optionsverträgen sind auch (konkurrierend zum Einwand der laesio enormis) die Einwände
- des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist) und
- der Umstandsklausel (clausula rebus sic stantibus)
denkbar.
Quelle: OGH 28.03.2023, 4 Ob 217/21x (verstärkter Senat) = GES 2023, 176
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien. Langjähriger hauptsächlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist das GmbH-Recht, insbesondere die Beratung und Vertretung im Gesellschafterstreit.
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