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Ausübung des Bucheinsichtsrechts eines Gesellschafters durch Vertreter
von Dr. Lukas Fantur | 17. April 2023
- Bucheinsichtsrecht eines Gesellschafters durch Vertreter – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
- Bucheinsicht durch andere Vertreter als Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater
- OGH lässt offen, ob ein Gesellschafter, der selbst Anwalt ist, einen anderen Anwalt oder Steuerberater zur Bucheinsicht beiziehen kann
- Anmerkung zu dieser OGH-Entscheidung – Folgerungen für die Praxis
- Über mich | Rechtsanwalt für GmbH-Recht und Gesellschafterstreit
Hier erfahren Sie, ob und wann sich ein GmbH-Gesellschafter bei der Ausübung seines Bucheinsichtsrechts durch andere Personen vertreten lassen kann.
Bucheinsichtsrecht eines Gesellschafters durch Vertreter – Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Der Oberste Gerichtshof hielt dazu kürzlich folgendes fest:
Ein Gesellschafter kann bei Ausübung des Bucheinsichtsrechts zur Verschwiegenheit verpflichtete sachverständige Dritte beiziehen.
Ein Anspruch auf Ausübung des Bucheinsichtsrechts durch einen beliebigen (sonstigen) Bevollmächtigten besteht hingegen nicht.
Konkret ist anerkannt, dass der Gesellschafter grundsätzlich befugt ist, bei der Ausübung seines Informationsrechts
- Rechtsanwälte,
- Wirtschaftsprüfer,
- Steuerberater
- Buchsachverständige
beizuziehen, es sei denn, deren Mitwirkung wäre
- völlig überflüssig oder
- im Einzelfall in Hinblick auf die damit verbundene Störung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft oder aus anderen Gründen
– als schikanös oder
– rechtsmissbräuchlich
anzusehen.
Dies dient der Wahrung des Interesses der Gesellschaft an der Geheimhaltung von Gesellschaftsinterna und hängt daher nicht davon ab, ob und durch wen sich die Gesellschaft selbst vertreten lässt.
Bucheinsicht durch andere Vertreter als Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater
a) mit Einverständnis der anderen Gesellschafter
Die Ausübung des Bucheinsichtsrechts eines GmbH-Gesellschafters durch sonstige Bevollmächtigte ist im Allgemeinen nur mit Einverständnis der anderen Gesellschafter zulässig.
b) ohne Einverständnis der anderen Gesellschafter
Ohne deren Einverständnis ist die Ausübung des Bucheinsichtsrechts dann zulässig , wenn der Gesellschafter zB
- wegen längerdauernder Erkrankung oder
- dauernder Abwesenheit
nicht selbst Einsicht nehmen kann.
OGH lässt offen, ob ein Gesellschafter, der selbst Anwalt ist, einen anderen Anwalt oder Steuerberater zur Bucheinsicht beiziehen kann
Im vom OGH entschiedenen Anlassfall hatte der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren weder Umstände behauptet, die einer Ausübung des Bucheinsichtsrechts durch ihn persönlich entgegenstünden noch die Beiziehung sachverständiger Dritter begehrt.
Ob der Antragsteller als Rechtsanwalt und Steuerberater berechtigt wäre, dritte Sachverständige beizuziehen oder sein erstmals im Revisionsrekurs namentlich genannter Angestellter als solcher angesehen werden könnte, musste vom OGH im Anlassfall daher nicht beantwortet werden.
Im vom OGH zu entscheidenden Anlassfall begründete der antragstellende Gesellschafter (der selbst Anwalt ist), die Notwendigkeit der Beiziehung eines Vertreters nämlich allein auf den Umstand, dass mit der Bucheinsicht ein gewisser Zeitaufwand verbunden ist. Das wurde jedoch nicht als ausreichenden Grund akzeptiert, der eine Vertretung zuließe.
Auf die Beiziehung eines sachverständigen Dritten war der Antrag nicht gerichtet. Ein Anspruch auf die beantragte Ausübung des Bucheinsichtsrechts durch einen beliebigen Bevollmächtigten wurde daher im Anlassfall verneint.
Quelle: OGH 20.10.2021, 6 Ob 165/21i = GES 2022, 21
Anmerkung zu dieser OGH-Entscheidung – Folgerungen für die Praxis
Der OGH sagt, die Bucheinsicht durch Vertreter sei jedenfalls dann zulässig, wenn die anderen Gesellschafter einverstanden sind. Dazu ist mE anzumerken:
Der Bucheinsichtsanspruch ist ein Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Zuständig für die Erteilung der Zustimmung zur Bucheinsicht durch Personen, die nicht Anwälte oder Wirtschaftstreuhänder sind, ist daher in erster Linie die Gesellschaft (vertreten durch die Geschäftsführer).
Richtig ist, dass die Zustimung auch durch die übrigen Gesellschafter erteilt werden kann. Das gilt aber nur dann, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Denn dann liegt ein Gesellschafterbeschluss vor, an den die Geschäftsführer gebunden sind und den sie umsetzen müssen.
Für einen Gesellschafter, der selbst Rechtsanwalt (oder Steuerberater) ist, können richtigerweise keine Sonderregeln gelten. Diese können unter den gleichen Voraussetzungen Rechtsbeistände beiziehen wie jeder andere Bürger und Gesellschafter auch. Das hat richtigerweise auch bei der Vertretung (oder Begleitung) bei der Ausübung des Bucheinsichtsrechts zu gelten.
Über mich | Rechtsanwalt für GmbH-Recht und Gesellschafterstreit
Ich bin Rechtsanwalt in Wien mit Spezialgebiet GmbH-Recht und Gesellschafterstreit. In diesem Zusammenhang vertrete ich auch immer wieder Anwaltskolleginnen und Kollegen.
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