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Verfolgung von Einlagenrückgewähransprüchen durch die Geschäftsführer: Interessenkollision, Verjährungshemmung und Haftung wegen verzögerter Anspruchsverfolgung
von Dr. Lukas Fantur | 26. Dezember 2025
- 1. Einlagenrückgewähr: Kurz erklärt
- 2. Problemfall: Interessenkollision in der Geschäftsführung
- Wer vertritt die GmbH noch wirksam bei der Rückforderung der vebotenen Einlagenrückgewähr?
- 3. Verjährung: Wann sie gehemmt ist – und wann nicht
- 🔒 Verjährungshemmung bei Vertretungsmangel
- 4. Haftungsrisiko für „unbefangene“ Geschäftsführer
- Persönliche Haftung bei schuldhafter Untätigkeit
- 5. Keine Pflicht zum sofortigen Klageweg
- Außergerichtliche Lösungen sind vorrangig zulässig
- 6. Ab wann muss gehandelt werden? – Immer eine Einzelfallfrage
- Das sind die Aussagen des OGH konkret zusammengefasst:
- Über mich – Ich helfe Ihnen bei Konflikten im Gesellschaftsrecht
Einlagenrückgewähr ist eines der sensibelsten Themen im GmbH-Recht. Gerät die Rückforderung in die Hände von Geschäftsführern, die selbst betroffen sind oder mit Gesellschaftern in Konflikt stehen, stellen sich heikle Fragen:
- 👉 Wer darf klagen?
- 👉 Läuft die Verjährung weiter?
- 👉 Haften Geschäftsführer persönlich, wenn sie zu lange zuwarten?
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dazu mit Entscheidung vom 6. November 2024 (6 Ob 98/24s) wichtige Klarstellungen getroffen.
1. Einlagenrückgewähr: Kurz erklärt
Von einer verbotenen Einlagenrückgewähr spricht man, wenn Gesellschafter Vermögenswerte aus der GmbH erhalten, ohne dass dafür eine zulässige Gegenleistung vorliegt (z. B. überhöhte Geschäftsführervergütungen, verdeckte Ausschüttungen, unbesicherte Darlehen).
➡️ Die GmbH muss solche Leistungen zurückfordern.
➡️ Zuständig dafür ist grundsätzlich die Geschäftsführung.
2. Problemfall: Interessenkollision in der Geschäftsführung
In der Praxis kommt es häufig vor, dass:
-
der rückzahlungspflichtige Gesellschafter zugleich Geschäftsführer ist oder
-
mehrere Geschäftsführer betroffen sind und sich gegenseitig blockieren.
Dann stellt sich die entscheidende Frage:
Wer vertritt die GmbH noch wirksam bei der Rückforderung der vebotenen Einlagenrückgewähr?
Der OGH stellt klar:
Sind nicht mehr ausreichend „unbefangene“ Geschäftsführer vorhanden, die die GmbH ordnungsgemäß vertreten können, liegt ein Vertretungsmangel vor.
3. Verjährung: Wann sie gehemmt ist – und wann nicht
Normalerweise verjähren Einlagenrückgewähransprüche nach bestimmten Fristen.
Doch laut OGH gilt:
🔒 Verjährungshemmung bei Vertretungsmangel
Wenn die GmbH wegen Interessenkollision nicht wirksam vertreten werden kann, ist die Verjährung gehemmt.
Begründung:
👉 Die Gesellschaft kann ihre Ansprüche faktisch nicht durchsetzen.
⚠️ Aber: Diese Hemmung gilt nicht automatisch unbegrenzt.
4. Haftungsrisiko für „unbefangene“ Geschäftsführer
Besonders brisant ist Punkt 2 der Entscheidung:
Persönliche Haftung bei schuldhafter Untätigkeit
Ein unbefangener Geschäftsführer, der:
- zur Anspruchsverfolgung berechtigt wäre,
- aber pflichtwidrig untätig bleibt,
kann persönlich haften, wenn sich durch Zeitablauf:
- die Bonität des Schuldners verschlechtert oder
- die Forderung schwerer oder gar nicht mehr einbringlich ist.
➡️ Die GmbH kann dann Schadenersatz verlangen.
5. Keine Pflicht zum sofortigen Klageweg
Der OGH betont jedoch ausdrücklich die Praxisnähe:
Außergerichtliche Lösungen sind vorrangig zulässig
Im Regelfall ist es:
- objektiv sinnvoll, zunächst Meinungsverschiedenheiten,
- Konflikte in der Geschäftsführung oder
- Streit mit Gesellschaftern
👉 außergerichtlich zu bereinigen.
Ebenso wenig sind Gesellschafter verpflichtet, sofort drastische Maßnahmen (z. B. Klagen, Abberufungen) zu ergreifen.
6. Ab wann muss gehandelt werden? – Immer eine Einzelfallfrage
Entscheidend ist laut OGH:
- Wann ein unbefangener Geschäftsführer oder Gesellschafter aktiv werden hätte müssen und
- wann der Vertretungsmangel tatsächlich beseitigt gewesen wäre,
lässt sich nur im konkreten Einzelfall beurteilen.
Das sind die Aussagen des OGH konkret zusammengefasst:
- Verbleiben der Gesellschaft zur Anspruchsverfolgung „unbefangene“ Mitglieder des Kollegialorgans (wegen einer Einschränkung ihrer Vertretungsbefugnis) nicht mehr in vertretungsbefugter Anzahl, ist von einer Hemmung der Verjährung auszugehen, weil eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft nicht möglich ist.
- Bei pflichtwidriger, schuldhafter Säumnis des „unbefangenen“ Geschäftsführers kann dessen Haftung gegenüber der Gesellschaft für eine durch Zeitablauf verschlechterte Bonität des Schuldners und damit der Einbringlichkeit der Forderung die Folge sein.
- Im Regelfall wird es aber objektiv geboten sein vorerst zu versuchen, Meinungsdifferenzen oder sogar Missstände der Geschäftsführung oder mit Gesellschaftern außergerichtlich zu bereinigen.
- Noch weniger sind sofortige Maßnahmen im Regelfall von den Gesellschaftern zu erwarten oder zu verlangen.
- Die Frage, ab wann ein unbefangener kollektivvertretungsbefugter Geschäftsführer oder Gesellschafter Schritte zur Beseitigung des Vertretungsmangels zu setzen gehabt hätte und wann der Vertretungsmangel dann (schon früher) beendet gewesen wäre (sodass die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hätte), lässt sich nur im Einzelfall beantworten.
Quelle: OGH 06.11.2024, 6 Ob 98/24s = GES 2024, 375
Über mich – Ich helfe Ihnen bei Konflikten im Gesellschaftsrecht
Ich bin Rechtsanwalt in Wien und (Mit-)Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (GES). Als Rechtsanwalt in Wien beschäftige ich mich mit Gesellschafterstreit bzw. Konflikten in Gesellschaften.
Als Rechtsanwalt helfe Ihnen im Gesellschafterstreit, Ihre Rechte durchzusetzen. Als Gesellschafter, Geschäftsführer oder als Gesellschaft.
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Themen: Einlagenrückgewähr - verdeckte Gewinnausschüttung, Geschäftsführerhaftung | 0 Kommentare »

