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Wie ist eine Stiftungserklärung auszulegen – und warum der Wille des Stifters später keine Rolle mehr spielt
von Dr. Lukas Fantur | 30. Dezember 2025
- Zentrale Rechtsfrage
- Kurzüberblick (Executive Summary)
- Die Aussagen des OGH konkret zusammengefasst (OGH 18.02.2025, 6 Ob 56/24i = GES 2025, 73):
- Eine Stiftungserklärung ist kein Vertrag zwischen einzelnen Personen
- Einordnung für die Praxis
- Warum das für Stiftungen so entscheidend ist
- Risiken und praktische Folgen
- Typische Fehler in Stiftungserklärungen
- Über mich
- Ich helfe Ihnen im Gesellschafterstreit
Privatstiftung: Viele Privatstiftungen starten mit einer guten Idee und einem klaren Ziel. Die Stiftungserklärung wird erstellt, unterschrieben und abgelegt. Jahre später kommt es dann zum Konflikt:
Ein Begünstigter versteht eine Regelung anders als ein Stiftungsvorstand. Der Stifter selbst meldet sich zu Wort und sagt: „So war das nie gedacht.“
In der Praxis ist das ein klassischer Moment der Ernüchterung. Denn die entscheidende Frage lautet nicht, was jemand gemeint hat, sondern was tatsächlich geregelt ist.
Zentrale Rechtsfrage
Wie wird eine Stiftungserklärung ausgelegt, wenn sie unklar ist – und zählt der spätere Wille des Stifters überhaupt noch?
Dazu gibt es eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.
Kurzüberblick (Executive Summary)
- Stiftungserklärungen werden wie eine Verfassung der Stiftung behandelt
- Entscheidend ist eine objektive Auslegung, nicht persönliche Vorstellungen
- Maßgeblich sind Wortlaut, Zweck und Gesamtzusammenhang
- Spätere Klarstellungen oder Erklärungen des Stifters sind rechtlich irrelevant
- Unklare Regelungen bleiben ein Risiko – oft über Jahrzehnte
Die Aussagen des OGH konkret zusammengefasst (OGH 18.02.2025, 6 Ob 56/24i = GES 2025, 73):
- Für die Auslegung der Stiftungserklärung sind die für Satzungen juristischer Personen entwickelten Auslegungskriterien anzuwenden.
- Demnach sind korporative Regelungen nicht wie Verträge, sondern – unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze des § 6 ABGB – nach Wortlaut und Zweck in ihrem Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen.
- Korporative Regelungen sind jedenfalls solche, die nicht nur für derzeitige, sondern auch für künftige Gesellschafter von Bedeutung sind, also der Komplex der Gesellschaftsorganisation als Verbandsverfassung.
- Auf eine nachträgliche „authentische Interpretation“ des Stifters ist nicht abzustellen.
Eine Stiftungserklärung ist kein Vertrag zwischen einzelnen Personen
Sie wirkt vielmehr wie eine Satzung – also wie eine dauerhafte Grundordnung. Und genau so wird sie auch gelesen:
- nicht aus der Sicht einzelner Beteiligter
- sondern aus der Sicht eines objektiven Dritten
- mit Blick auf die Funktion der Stiftung als Organisation
Konkret heißt das:
- Ausgangspunkt ist der Wortlaut
- ergänzt durch den erkennbare Zweck der Regelung
- eingeordnet in das Gesamtsystem der Stiftungserklärung
Was dabei keine Rolle spielt:
Spätere Aussagen des Stifters, wie er die Regelung verstanden wissen wollte.
Einordnung für die Praxis
Warum das für Stiftungen so entscheidend ist
Stiftungen sind auf Dauer angelegt. Ihre Regeln müssen auch dann funktionieren, wenn sich Personen, Interessen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern.
Würde man spätere Erklärungen des Stifters berücksichtigen, wäre das System instabil. Deshalb gilt:
Die Stiftungserklärung muss für sich selbst sprechen.
Das schafft Rechtssicherheit – verlangt aber Präzision.
Risiken und praktische Folgen
Risiken:
- Unklare Regelungen lassen sich nicht „nachjustieren“
- Konflikte eskalieren schneller, weil jede Seite gute Argumente sieht
- Der tatsächliche Gestaltungsspielraum des Stifters ist geringer als oft gedacht
Chancen:
- Klar formulierte Regelungen sind belastbar und konfliktfest
- Objektive Auslegung schützt vor taktischen Auslegungsversuchen
- Gute Struktur zahlt sich langfristig aus – gerade bei Generationenwechseln
Typische Fehler in Stiftungserklärungen
- Begriffe, die bewusst offen gehalten werden, ohne Folgen zu regeln
- Organisationsfragen, die mit persönlichen Vorstellungen vermischt werden
- Annahmen wie: „Das wird später schon klar sein“
- Vertrauen darauf, dass man Missverständnisse jederzeit erklären kann
Gerade der letzte Punkt führt regelmäßig zu Streit.
Über mich
Ich bin Rechtsanwalt in Wien und (Mit-)Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (GES). Als Rechtsanwalt in Wien beschäftige ich mich mit Gesellschafterstreit bzw. Konflikten in Gesellschaften.
Ich helfe Ihnen im Gesellschafterstreit
Als Rechtsanwalt helfe Ihnen im Gesellschafterstreit, Ihre Rechte durchzusetzen. Als Gesellschafter, Geschäftsführer oder als Gesellschaft. Kontakt
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